August 2007 - September 2007
Nesa Gschwend ist von ihrem Denken her Performerin. Das heisst im Mittelpunkt steht die Handlung. Zum Beispiel das Drehen, Wenden, Öffnen, Knautschen und schliesslich wieder Zunähen einer Orange. Gschwend lässt es indes nicht dabei bewenden. Sie beschaut und bedenkt ihr Tun indem sie es in anderen Medien noch einmal neu formuliert; als Video-Performances, mehrteiligen Objektreihen, Zeichnungen und räumliche Malerei.
„Rotationen“ nennt die im Rheintal aufgewachsene Künstlerin die installative Ausstellung im 160 m2 grossen Chelsea-Projektraum an der Horburgstr. 95 in Basel. Die Drehbewegungen beziehen sich nicht nur auf den Medienwandel, nicht nur auf die saftigen Orangen, die sie nach den Life- respektive den Video-Performances eintrocknen liess, in flüssigen Wachs tauchte und nun in zwei Reihen als Reste rötliche Farbe bergende Objekte auf zwei schmalen, von der Decke hängenden Latten zeigt.
Die „Rotationen“ sind auf der sichtbaren wie auf der inhaltlichen Ebene relevant. In der Life-Performance gibt es das entscheidende Moment, wenn sich im Gesicht der Künstlerin der Wandel von der Lust am Wühlen im Fruchtfleisch in ein Erschrecken ob der Zerstörung der Frucht wandelt und sie verzweifelt nach Nadel und Faden greift, um die Orange wieder zusammenzunähen, das Rad zurückzudrehen. Doch während in der Life-Performance die Orange zum Sinnbild des Planeten Erde wird, geht die Deutung der zeitlich verschoben gezeigten Doppel-Projektion der Video-Performance derselben Handlung assoziativ in eine andere Richtung. Denn die mit einem Förder-Beitrag der Migros realisierten, nahezu schwarz-weissen Filme laufen je sowohl vorwärts wie rückwärts, sind in einem fort Anfang und Ende, letztlich Tod und Erneuerung. Was von den Wachsobjekten assoziativ aufgefangen wird, deren herunterhängende Nähfäden unverhofft zu Nabelschnüren werden. Und im Kontext scheint es, als würden die vier in Sichtweite als Rotationsform platzierten, wächsernen Handschuh-Objekte mit ihren kaum sichtbaren Orangen im Hand-Innern laufend für die Produktion weiterer „Zellen“ sorgen.
Damit nicht genug; so wie jedes Objekt seine eigene Form hat, so hat auch jedes Gesicht seinen eigenen Ausdruck. Sowohl in den Zeichnungen wie in der in grosse Baumwolltücher eingeriebenen Pigment-Wachs-Malerei dominiert das Motiv des Kopfes, des Gesichts – freilich so reduziert, dass Augen, Ohren, Nase, Mund und Schädel nur als Form angedeutet erscheinen und damit visuell mit den Objekten in Kontakt treten. Das eine scheint Teil des anderen zu sein. Die vorherrschende Farben sind Töne von ocker über rotbraun bis erdig-weinrot – in den feinen, gewachsten Zeichnungen als Striche und Schattierungen, in den zwei mal drei Meter grossen, als Raum im Raum installierten Tüchern als Umgebungsfarbe, die in ihrem Innern die semitransparente Kopf- respektive Gesichtsform bergen.
Nesa Gschwend, die in den frühen 1980er-Jahren Mitglied von PanOptikum in Berlin war und seit 1986 als Soloperformerin und Künstlerin auftritt, sucht stets die Konzentration auf archaische, basisbetonte Äusserungen. Was die Ausstellung in Basel besonders macht, ist die körperlich-sinnliche Intensität, mit welcher die im Aargau lebende Künstlerin ihr Thema potenziert; vielleicht als Resultat des Artist in Residence-Aufenthaltes in Bangalore/Indien (2006). Grösser noch wird die Herausforderung 2008 werden, wenn sie den ganzen „Engländerbau“ in Vaduz bespielen wird.
Annelies Zwez